Zur Aktivierung der Bürgerschaft dient eine neue Veranstaltungsreihe mit dem programmatischen Titel „Bürgerforum“. Sie ist im Juli 2016 erfolgreich angelaufen. Der Aktionskreis bleibt seinem Motto treu: „Verein für bürgerschaftliche Mitwirkung bei Stadterhaltung und Stadtentwicklung“
Bürgerforum Polen in Görlitz
In den vergangenen Jahren ist der Zuzug polnischer Bürger nach Görlitz stark angestiegen. Inzwischen leben fast 4.000 Polen in unserer Stadt. Wer mit offenen Augen und Ohren durch Görlitz geht, kann nicht übersehen, dass die Stadt dadurch an Lebendigkeit und Farbigkeit gewonnen hat.
Welche Chancen und Risiken erwachsen aus diesem Phänomen für die weitere Stadtentwicklung? Wie gestaltet sich das Zusammenleben der Zugezogenen mit der deutschen Stadtbevölkerung?
Diesen Fragen widmete sich am 18.10.2019 unser gut besuchtes Bürgerforum „Polen in Görlitz – Gelebte Europastadt“. Moderiert von dem in Görlitz lebenden deutsch-polnischen Journalisten Andrzej von Iwicki schilderten Experten aus der Stadtverwaltung, dem Landratsamt, der Wirtschaft und der Kirchen ihre Erfahrungen mit den neuen Nachbarn, die selbst auch durch die polnische Unternehmerin Renata Urdas und die Autorin Kinga Hartmann auf dem Podium vertreten waren.
Nicht unerwartet, waren die Beurteilungen durchwegs positiv. Die vielen Polen beleben nicht nur das Stadtbild. Sie bilden auch einen erheblichen Wirtschaftsfaktor für Handel und Immobilienwirtschaft, sind als Fachkräfte höchst willkommen und stabilisieren die problematische demografische Basis von Stadt und Region.
Aber auch negative Aspekte wurden nicht ausgespart. Insbesondere die gerade in jüngster Zeit von der Sächsischen Zeitung thematisierten Scheinwohnungen, die angeblich von meist polnischen Personen zum missbräuchlichen Bezug von Sozialleistungen genutzt werden.
Martina Weber, die Leiterin des Dezernats für Gesundheit und Soziales beim Landratsamt Görlitz und Silvia Queck-Hähnel, die Leiterin des Amtes für öffentliche Ordnung bei der Stadtverwaltung Görlitz konnten mit exakten Zahlen und Fakten belegen, dass der Vorwurf eines umfangreichen Sozialbetrugs, den die zuständigen Behörden ignorierten, nicht zutrifft.
Leider glänzten die ausdrücklich eingeladene Sächsische Zeitung und die sprichwörtlichen „besorgten Bürger“ durch Abwesenheit und verpassten damit die Gelegenheit, ihre pauschalen Vorwürfe einem Faktencheck zu unterziehen.
Aus der anschließenden Diskussion mit dem Publikum bleibt insbesondere ein Wunschtraum in Erinnerung: Was sei denn aus dem Projekt einer grenzüberschreitenden Straßenbahn geworden? Hartmut Wilke, Leiter des Amts für Stadtentwicklung, hatte dafür einen Hoffnung machenden Kommentar: Die gerade neu verlegte Gleisanlage am Postplatz enthält eine (noch) ins Leere führende Abzweigung , die nur einen einzigen Zweck hat: dereinst in Richtung Stadthalle und Stadtbrücke nach Zgorzelec verlängert zu werden.
Von dieser Vision beseelt, klang das Bürgerforum im lockeren Gespräch bei Wein und Brezen fröhlich aus.
(Görlitz, 20.10.19 / Rainer Müller)
Parkraum-Freiraum-Lebensraum
Dirk Ohm, der als Verkehrsplaner in vielen historischen Städten tätig ist, bemerkte: „Görlitz hat so gut wie keine Verkehrsprobleme – außer dem einen: Es steht zu viel Blech herum!“
Dies tut nicht nur dem Auge des Betrachters weh, sondern führt auch zu funktionalen Störungen im Stadtorganismus. Gerade am Obermarkt und am Klosterplatz ist dies schmerzlich erlebbar. Sie werden als Achsen für den Durchgangsverkehr und als zentrale Parkplätze genutzt und können deshalb ihre eigentliche Gelenkfunktion zwischen Zentrum und Altstadt nur unzureichend wahrnehmen. Das Ergebnis ist u.a. in der der Steinstraße zu beobachten. „Schwierige Verbindung zum Obermarkt. Läden schließen trotz guter Innenstadtlage“ titelte die SZ erst vor wenigen Tagen.
Wir wollen uns mit dieser Situation nicht zufrieden geben, sondern von dem in der Satzung zur Bürgerbeteiligung vorgesehenen Petitionsrecht Gebrauch machen. Dann haben auch die Stadträte, über deren Anwesenheit in unserer Veranstaltung wir uns gefreut haben, Gelegenheit sich zu positionieren.
Unser Ziel ist ein ausgewogeneres Verhältnis von Parkraum, Freiraum und Lebensraum in unserer Stadt.
Hat die Görlitzer Straßenbahn eine Zukunft?
Präsentation des neuen Nahverkehrskonzepts durch Oberbürgermeister Deinege.
Wie weiter mit der Synagoge?
Dr. Markus Bauer,Vorsitzender des Förderkreises Görlitzer Synagoge
Dr. Nora Goldenbogen, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden
Moderation: Frank Seibel, Journalist
Revitalisierung der Görlitzer Stadthalle !?
Abzusehen ist aber schon jetzt die baldige Nutzbarkeit des kleinen Saales und des Stadthallengartens. Das wird die Stadthallenfans nicht glücklich stimmen. Aber es ist ein Zwischenergebnis, das sie als Erfolg verbuchen können.
Wer wird neue/r OB?
Den nachstehenden Kommentar eines Besuchers erachten wir als großes Kompliment:
„Das war eine Sternstunde für Görlitz. So eine runde Veranstaltung im Dienste der Demokratie habe ich lange nicht gesehen in Görlitz. Vor allem nicht eine so gut besuchte und moderierte.“
Wer wir sind – Die Erfahrung ostdeutsch zu sein
Moderierte Autorenlesung
Schlesisches Museum zu Görlitz
24. Mai 2019, 19:30
30 Jahre nach der Wiedervereinigung hat sich das gesellschaftliche Klima in den „Neuen“ Bundesländern gravierend verschlechtert. Längst überwunden geglaubte Ost-/West-Gegensätze brechen wieder auf. Die traditionell staatstragenden Volksparteien verlieren massiv an Zustimmung. Dafür etabliert sich die AfD als neue Gruppierung mit vermeintlich einfachen Lösungen.
Es gibt inzwischen eine Reihe von Büchern, die sich diesem Phänomen widmen. Das wohl am meisten beachtete stammt aus der Feder der Autorin Jana Hensel und des Soziologen Wolfgang Engler und heißt „Wer wir sind – Die Erfahrung ostdeutsch zu sein“.
Das Buch kommt zu dem Ergebnis, dass die von den Ostdeutschen als ungerecht empfundenen Zumutungen der Nachwendezeit und nicht ihre DDR-Sozialisation die jetzt aufgebrochenen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen ausgelöst hätten.
Der Aktionskreis für Görlitz hatte die Autoren eingeladen, am 24. Mai 2019 ihre Erkenntnisse im Rahmen einer öffentlichen moderierten Lesung vorzutragen und sie anschließend mit dem Publikum zu diskutieren.
Rund 50 Teilnehmer folgten interessiert der von Frank Seibel souverän moderierten Veranstaltung . Der Erkenntnisgewinn aus der Lesung und der nur zögerlich in Gang kommenden Diskussion war allerdings gering. Der ernüchternden Diagnose, dass die Ostdeutschen zurecht zornig seien, fehlte der Therapieansatz.
Frank Seibels Frage, warum die Autoren auf ihrer Lesereise ihre kritische Analyse nur den Betroffenen und nicht den Verursachern präsentierten, stieß bei Jana Hensel auf Unverständnis. Die Wessis hätten sich 30 Jahre lang nicht für den Osten interessiert. Jetzt seien sie ihr auch egal.
Erfreulicherweise machten die Teilnehmer von dem Angebot des Aktionskreises , sich nach der Veranstaltung im informellen Gespräch noch auszutauschen, regen Gebrauch. Gemäß dem Veranstaltungs-Thema „Die Erfahrung ostdeutsch zu sein“, gab es Rotkäppchen-Wein.
Görlitz, 15.06.2019
Rainer Müller